M. Jucquois-Delpierre: Female figures in art and media

Cover
Titel
Female figures in art and media/Frauenfiguren in Kunst und Medien/Figures de femmes dans l´art et les médias.


Herausgeber
Jucquois-Delpierre, Monique
Erschienen
Frankfurt am Main 2010: Peter Lang/Frankfurt am Main
Anzahl Seiten
87 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Rebecca Loder-Neuhold, Theologische Fakultät, University of Fribourg

Der Sammelband von Monique Jucquois-Delpierre macht durch seinen Titel und die Dreisprachigkeit neugierig. Auf den ersten Blick wagt er auch neue Wege in der wissenschaftlichen Lektüre zu beschreiten. Das Sammelwerk entstand als schriftliches Endprodukt einer Reihe von Seminaren zwischen 2003 und 2009 und ist nach einem längeren Einleitungsteil in vier Sektionen unterteilt: 1. «Und Gott schuf die Frau» (Und immer lockt das Weib). Transgender und Heteronormativität; 2. Von Müttern und Mädchen. Frauenmythen; 3. Frauen, Rollen, Dar- und Vorstellung; 4. Frauen und Gesellschaft.

Die hauptsächlich wissenschaftlichen Beiträge werden von sieben, meist mehrseitigem Bildmaterial unterbrochen, auf das unten noch näher eingegangen wird. Zur Mehrsprachigkeit ist zu sagen, dass das Cover und der Klappentext zwar einen gleichberechtigten Gebrauch von drei Sprachen versprechen, die Artikel jedoch nicht in alle drei Sprachen übersetzt sind. Das heisst, es gibt 13 deutsche und fünf französische Beiträge sowie einen englischen Beitrag. Die Artikel weisen abschliessend ein englisches Abstract (Ausnahme: Au nom de la mère von Arlette Jossart und Monique Jucquois-Delpierre, 271–275) und eine Kurzbeschreibung der AutorInnen auf, die jedoch auch nicht einheitlich, sondern in unterschiedlichen Sprachen gehalten sind.

Inhaltlich ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Begriff «Frauenfiguren/Female figures/Figures de femmes» nicht auf die «Figur », das Bild, den Stereotyp etc. beschränkt ist, sondern dass auch individuelle weibliche Personen damit gemeint sind: «However, an essential intention of the study was and is to analyse female ‹figures›, woman as persons and ‹personages›, characters and figures in stories, real or fictional, as presently emerging in culture, art and the media [...].» (17f). Denn nur durch diese weite Begriffsauffassung kann die Breite der Artikel verstanden werden. So beschäftigen sich die Beiträge – beginnend mit der biblischen Eva – mit bekannten Frauenfiguren wie Judith, Maria von Magdala oder den Heldinnen/Prinzessinnen der Grimm’schen Märchen, aber eben auch mit Individuen wie Madonna, Vanessa Beecroft und Rosa Luxemburg. Trotzdem bewegen sich manche Beiträge sehr weit abseits der Thematik, etwa Ullmanns Artikel über Selbstkonstruktionen junger Frauen in Bezug auf Familie und Liebe. Ihr Beitrag liest sich interessant, jedoch hätte ihr Interviewmaterial noch gezielter auf das Thema der Frauenfiguren befragt werden können.

Beschäftigt sich ein Band mit Frauenfiguren in Kunst und Medien, ist Bildmaterial unabkömmlich. Folglich sind auch Frauenfiguren, wie etwa die Venus von Willendorf, Botticellis Venus, Channukkaleuchter mit Judith- Motiv oder eine Statue «Leda mit dem Schwan» auf den sieben Zwischen«kapiteln» abgebildet. Stutzig macht jedoch, dass zahlreiche andere in den Artikeln besprochene (Frauen)figuren nicht visuell abgebildet sind (etwa das Kunstprodukt Madonna oder eine Performance von Vanessa Beecroft) und stattdessen zahlreiche Fotografien abgedruckt sind, die von Bénédicte Jucquois, Mathematikerin, Musikerin und Fotografin, stammen. Zwölf AutorInnen hat sie in wechselnden Inszenierungen (etwa nur die Hände, im Spiegelbild, etc.) fotografiert und mehrere dieser Fotos sind auf den Seiten, zusammen mit anderen Fotografien, abgebildet. Die Intention hinter diesen künstlerischen Beiträgen der Herausgeberin wird im Vorwort erklärt. «The second mode of reflection [besides scientific texts, RLN] is more subtle and unusual. It extends a sensitive thread between art and science. […] Original unedited pictures […] guide the reader who becomes a spectator in this second mode of reflection.» (11) Die Fotografin Jucquois konstatiert, mit ihren Fotografien «die Frage nach der Begegnung zwischen dem künstlerischen und dem wissenschaftlichen Gesichtspunkt zu stellen… Einen sensiblen Faden zwischen diesen zu spannen.» (14). Dass diese Herangehensweise für viele LeserInnen eine Herausforderung darstellen wird, ist ihnen bewusst (11) und ich persönlich stehe dieser auch skeptisch gegenüber, vor allem, da mir die genaue Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Kunst und Wissenschaft nicht geklärt erscheint. So mutet das Verhältnis einerseits gleichberechtigt an («Faden spannen»), doch an anderer Stelle ist eine Hierarchie unter den «Koexistenzen» (14) deutbar, wenn es heisst: «These four chapters are supported [!] by pictures which complement the authors and the authors’ way of thinking.» (18). Auch ist die grafische Gestaltung der Bilderseiten nicht sehr ansprechend, im Gegensatz zum Titelbild, das dem Buch eine interessante Note gibt.

Wünschenswert wäre mehr Einheitlichkeit, sodass LeserInnen ohne Deutsch- und Französischkenntnisse zumindest zu jedem Artikel eine englische Zusammenfassung und Beschreibung der Autorin/des Autors finden. Und wenn schon das Experiment mit drei Sprachen gewagt wird, ist die Dominanz der deutschen Artikel nicht nachvollziehbar.

Abschliessend ist zu sagen, dass es begrüssenswert ist, Kunst und Wissenschaft auf eine andere Art und Weise betreiben zu wollen, ausgetretene Trampelpfade zu verlassen und neue Wege zu beschreiten. 19 AutorInnen und fünf KünstlerInnen zwischen zwei Buchdeckel zu bringen, ist sicherlich eine Herausforderung. Doch so manche Entscheidung in «Frauenfiguren in Kunst und Wissenschaft» scheinen überdenkenswert. Dabei sind aber viele der Artikel für sich genommen sehr interessant und erhellend, etwa von Dominik Maeder: «Something between a mother and a waitress». Zur zeitlichen Logik sekretarieller Sorge in Mad Men (229–246), oder von Regina Grundmann: «JHWH hat mir in seinem Erbarmen geholfen, und ich habe den Frevler getötet.» Judits Tat im Spannungsfeld von Gewaltausübung und Gewaltverhinderung in der Chanukka-Tradition (297–311).

Zitierweise:
Rebecca Loder-Neuhold: Rezension zu: Monique Jucquois-Delpierre (Ed.), Female figures in art and media/Frauenfiguren in Kunst und Medien/Figures de femmes dans l´art et les médias, Frankfurt a. M. u.a., Peter Lang, 2010.. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 106, 2012, S. 769-770.

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